Von Streunern und Futterstellen
In diesem Spätsommer wurde ich eingeladen, einige Futterstellen für verwilderte Hauskatzen in Essen kennen zu lernen.
Das Fazit zuerst: Ich bin tief beeindruckt von den Menschen, die sich Tag für Tag um dies Katzen kümmern. Die Tiere leben in Hinterhöfen, auf Firmengeländen, an den „Grenzen der Zivilisation“- sind nahezu unsichtbar. Doch egal wo, sie erwarten ihre tägliche Portion Futter sehnsüchtig. Kaum hören sie ein bekanntes Fahrzeug, schon schleichen sie aus ihren Verstecken und schauen ganz verdutzt, weil sie heute unerwarteter Weise auch mich mit der Kamera antreffen.
Was auf meinen Bildern zu sehen ist?
Wunderschöne und stolze Katzen, deren Lebensumstände mir zum Teil die Tränen in die Augen treiben: Katzen, die beim Umzug ihrer Menschen einfach zurückgelassen wurden- mittlerweile weit über 14 Jahre alt- die im Winter kein warmes Plätzchen für die alten Knochen finden. Das alte, fast blinde Kätzchen geht mir nicht mehr aus dem Kopf- was geschieht wen die Sehkraft ganz verschwindet? Der junge Kater mit dem gebrochenen Vorderbein, der mehr recht als schlecht laufen kann- wird man ihn jemals einfangen können, um ihn zu behandeln? Die Katzen mit den schnupfnasen- ist ihr Immunsystem stark genug um die Krise zu überwinden?
Es sind tolle Katzen, die ich kennen lernen durfte
Bei Herrn Pascha von Streuner, dessen kleine Geschichten der Tierschutzverein auch auf Facebook erzählt, ist es Liebe auf den ersten Blick! Zumindest meinerseits! Der feine Herr lässt sich natürlich nicht anfassen….. Unnötig zu sagen, dass sich nicht eine einzige Katze von mit „betatschen“ lässt. Ums Eck lebt der alte Grautiger. Laut schreiend rennt er seinem Futter entgegen, im Schlepptau immer die betagte Schwarze. Der Kollege auf drei Beinen hat es vorgezogen, bei meinem Anblick erst gar nicht zu erscheinen.
Einen Clan weiter warten schmutzige Tatzen hinter einem großen Tor. Beim Snacken kann ich dann auch einen Blick auf das ebenso schmutzige Näschen erhaschen. Nebenan logiert ein grauer Kater. Moment- der Kater ist eigentlich weiß; ein paar rote Flecken sind auch noch sichtbar. Er scheint das Clan- Oberhaupt der Gegend zu sein. Obwohl er recht mager und nicht mehr der Jüngste ist, ist er von einer ganz besonderen Aura umgeben. Ich bin schwer beeindruckt!
An der nächsten Futterstelle bin ich etwas zu früh und die Katzen erwarten mich natürlich nicht. Trotzdem kommen sie aus ihren Verstecken. Um mich herum-natürlich mit dem gebührenden Abstand- liegen und sitzen Katzen, die alle irgendwie gleich aussehen. Ich nehme an, dass ich mitten in einem Familienclan sitze.
Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, wie es sein kann, dass domestizierte Haustiere derart „verwildern“ können.
Historisch gesehen leben Katzen doch seit rund 10.000 Jahren domestiziert mit und bei uns Menschen. Man muss den Eindruck gewinnen, dass der Mensch der Katze überdrüssig geworden ist. Warum sonst wird ein Tier in dieser Weise zum Abfallprodukt der zivilisierten Gesellschaft? Die „entsorgten“ Katzen werden vergiftet, erschossen, ertränkt oder einfach nur überfahren… Die Überlebenden schließen sich zu Zweckgemeinschaften, zu Clans zusammen und führen ein Schattenleben in unsere ach so tierlieben Gesellschaft.
Immer wieder neu anfangen
Alleine in Essen leben rund 20.000 Katzen auf der Straße. Die Arbeit der Menschen, die sich gerade um diese Tiere kümmern, ist so enorm wichtig. Alle Tiere an solch festen Futterstellen sind gekennzeichnet und kastriert, um die Population möglichst klein zu halten. Allerdings finden sich ständig neue Katzen ein, die am Tag zuvor noch nicht vor Ort waren-in der Regel natürlich unkastriert. Dann fängt für die Betreuer*innen der Futterstellen alles wieder von vorne an: einfangen, kastrieren und abwägen, ob eine Rückführung zu Menschen noch möglich ist.
Vielleicht helfen meine Erlebnisse, die Fotos und die Geschichten von Pascha ein wenig, mehr Achtung für unsere verwilderten Hauskatzen zu schaffen.
Schauen Sie hin, kümmern Sie sich und melden Sie es, wen Sie Katzenelend sehen. Bitte!