Einzeljäger, nicht Einzelgänger!
Oder: Warum einzeln gehaltene Wohnungskatzen die Fassung verlieren.
Die Einzelgängerin - nur ein Mythos (?)
Immer häufiger landen Katzen in Tierheimen, weil sie ihre Halter attackiert und angegriffen haben. Die Katze sei plötzlich verrückt geworden, so die vielfache Aussage. Bei näherer Betrachtung handelt es sich bei den mit dieser Begründung abgegebene Tieren fast immer um potente, d.h. nicht kastrierte Tiere im mittleren Alter ohne Freigang und in Einzelhaltung. Das muss einen Grund haben!
Es ist richtig: Katzen sind Einzeljäger! Was bei der Größe der Beutetiere auch nicht verwundert, denn mehr als eine Katze wird von einer Maus nicht satt. Richtig ist aber auch: Als Einzelgänger werden aus biologischer Sicht Tiere bezeichnet, wenn sie ausschließlich zu Fortpflanzungszwecken den Kontakt zu Artgenossen sucht. Das trifft allerdings auf Katzen nicht zu. Im Gegenteil- ihr Sozialverhalten ist wesentlich komplexer als lange Zeit vermutet.
Die Vorfahren unserer Hauskatzen lebten beispielsweise- wie Löwen- in matriarchalischen Gruppen, d.h. mehrere weibliche Tiere bilden ein Rudel und unterstützen sich bei der Aufzucht der Welpen und der Futterbeschaffung. In manchen Gruppen wurde auch ein Kater akzeptiert. Gerade in Populationen von Streunerkatzen kann man ein solches Beziehungsgeflecht auch heute noch beobachten.
Und auch die Halter mehrerer Katzen können bestätigen: Die angeblichen Einzelgänger sind überaus gesellige Wesen, die es schätzen, sich gegenseitig das Fell zu pflegen, zusammen zu kuscheln oder auch einmal heftig zu raufen. Wie stark das Bedürfnis nach sozialer Bindung zu Artgenossen ist, zeigt sich immer wieder. Sogar Katzen, die viele Jahre alleine gelebt haben, freuen sich im hohen Alter noch über Gesellschaft eines Artgenossen. Die Zusammenführung dauert dann vielleicht etwas länger, aber es klappt. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist eine Vergesellschaftung nicht (mehr) möglich.
Und was läuft schief?
In der Regel bleiben kleine Kätzchen 12 Wochen bei den Geschwistern. Sie lernen in dieser Zeit ihr Sozialverhalten- unter anderem durch Kuscheln, gegenseitiges Putzen und Raufspiele mit den Brüdern und Schwestern. Diesem sozialen Verbund werden sie dann- leider oftmals viel zu früh- durch die Aufnahme in einen Menschenhaushalt entrissen und leben möglicherweise jahrelang in einem winzig kleinen Mikroorganismus von Einzelmensch und Einzelkatze.
Häufig machen Menschen die Katze auf diesem Wege zu „ihrem“ Sozialpartner. Sie möchten nicht weniger als die volle Aufmerksamkeit der Katze und sind letztlich zu egoistisch, um die Zuwendung teilen zu wollen.
In einem Mehrkatzenhaushalt spielt nämlich der Mensch eine untergeordnete Rolle. Er darf die Näpfe füllen und die Toilette reinigen, vielleicht wird er hin und wieder auch mit einer Kuscheleinheit bedacht, aber mehr ist für ihn nicht drin!
Aber wir Menschen können den Sozialpartner „Katze“ nicht ersetzen und durch die von Menschen verordnete „Einzelhaft“ wird der Katze viel genommen.
Einige Katzen werden depressiv und leiden still und leise vor sich hin. Andere werden zu Vielfraßen (Frustfressen) und entwickeln ein nicht zu verachtendes Übergewicht. Wieder andere gehen in die Offensive und greifen an. (Wobei- wenn das kleine Kätzchen an den Beinen hing…… das war doch so niedlich, oder nicht?)
Fakt ist also, dass wir Menschen es sind, die diese liebenswerten Wesen zu Sozialkrüppeln machen.
Was heißt das für die Praxis?
Der Idealfall ist in der Mehrzahl der Fälle die Haltung von mindestens zwei Katzen, wobei die gleichgeschlechtliche Zusammensetzung der Gruppen wegen des unterschiedlichen Spielverhaltens von Kater und Kätzinnen vielfach die beste Kombination ist. War eine Kätzin oder ein Kater jedoch die/der einzige im Wurf und wächst alleine auf, kommen sie auch in der Pärchen-Haltung recht gut zurecht.
Der häufige Einwand „Unsere Großeltern hatten immer nur eine Katze“ stimmt zwar, bezieht sich aber völlig andere Rahmenbedingungen und auf Katzen, die den Freigang genießen konnten und somit auch die Sozialkontakte zu Artgenossen. Leider ist in unseren heutigen Großstädten diese Haltungsform selten möglich.